21. Okt 2021
Das Bundesverfassungsgericht hat den Zinssatz für Steuernachzahlungen und -erstattungen in Höhe von 6% pro Jahr für verfassungswidrig erklärt. Aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase sei ein entsprechender fiktiver Zinsvorteil nicht mehr darstellbar.
Das Bundesverfassungsgericht hat den Zinssatz für Steuernachzahlungen und -erstattungen in Höhe von 6% pro Jahr für verfassungswidrig erklärt. Aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase sei ein entsprechender fiktiver Zinsvorteil nicht mehr darstellbar.
Die Verzinsung ist grundsätzlich für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2014 nicht verfassungsgemäß, das bisherige Recht bleibt aber für Verzinsungszeiträume bis einschließlich 2018 anwendbar.
Für ab in das Jahr 2019 fallende Verzinsungszeiträume kann der bisherige Zinssatz nicht mehr angewendet werden.
Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 31.07.2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen, welche rückwirkend für Verzinsungszeiträume ab 2019 anzuwenden ist.
Das Bundeskabinett hat am 30. März 2022 den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung beschlossen. Damit wird bei der sog. Vollverzinsung ab 1. Januar 2019 für alle offenen Fälle eine rückwirkende Neuregelung des Zinssatzes für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen getroffen.
Zinsen auf Steuern (Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- und Gewerbesteuer) werden ab einer Karenzzeit von 15 Monaten nach Ablauf des jeweiligen Veranlagungszeitraums festgesetzt. Dies gilt allerdings nicht nur im Nachzahlungsfall, sondern auch bei verspäteten Steuererstattungen. Somit kann die Änderung für Steuerpflichtige auch nachteilig sein, nämlich dann, wenn auf Steuererstattungen der bisherige Zinssatz von 6% angewendet wurde und der Verzinsungszeitraum nach 2018 liegt.
Aktuell gibt es noch keinen Handlungsbedarf. Der Gesetzgeber muss nun innerhalb der gesetzten Frist zunächst eine verfassungsgemäße Neuregelung gestalten. Die Zinsfestsetzungen werden von den Finanzämtern seit Mai 2019 aufgrund der bestehenden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit ohnehin nur noch vorläufig veranlagt. Diese Bescheide werden später voraussichtlich von Amts wegen korrigiert. Auch diesbezüglich offene Einspruchsverfahren können aktuell weiter ruhen gelassen werden.
Dipl.-Betriebswirt (BA)
MBA (International Taxation)
Steuerberater
Fachberater für Unternehmensnachfolge (DStV e.V.).