Ist das vermeintliche Steuersparmodell „Familiengenossenschaft“ endgültig gescheitert?

16. Apr 2025

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg nimmt nun eindeutig Stellung.

In den vergangenen Jahren wurden Familiengenossenschaften - idR im eher unseriösen Beratungsumfeld - vielfach als "Wunderwaffe" angepriesen. Das Modell zielt insbesondere darauf ab, private Aufwendungen dem betrieblichen Bereich zuzuordnen und damit von der Steuer abzusetzen. Gemäß dem Motto "Selbst schuld, wer den Familienurlaub aus versteuerten Einkünften bezahlt" sind Genossenschaften entstanden, deren Mitglieder sich regelmäßig auf eine Familie im weiteren Sinne beschränken. Finanzverwaltung und Rechtsprechung erachten dies als eine gesetzwidrige Steuergestaltung

Wir haben derartige Konstruktionen bereits in der Vergangenheit für unsere Beratungspraxis immer wieder abgelehnt und eindringlich gewarnt. Und das zu Recht.

Die betreffenden Genossenschaften verfolgen dabei das Ziel, private Urlaube als genossenschaftliche Studienreisen, das privat genutzte Auto als genossenschaftliches Gemeinschaftsauto oder die Küche nebst Lebensmitteln als genossenschaftliche Kantine von der Steuer abzusetzen. Die betreffenden Genossenschaften vertreten entsprechend die Auffassung, dass die Förderung der Wirtschaft ihrer Mitglieder gemäß § 1 Abs. 1 GenG in Gestalt von Maßnahmen erfolgen kann, die auf die Senkung der privaten Ausgaben der Mitglieder gerichtet sind. Gemäß dieser gesetzlichen Regelung ist der Zweck der Genossenschaft "die Förderung des Erwerbs, der Wirtschaft der Mitglieder und deren soziale und kulturelle Belange mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes". Es liegen Hinweise vor, dass dieses Modell in hunderten Fällen praktiziert wurde.

Einordnung von Finanzverwaltung und jüngste Entscheidung des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg

Das Ministerium der Finanzen Sachsen-Anhalt veröffentlichte hierzu bereits im Jahr 2023 eine steuerliche Einschätzung (v. 19.10.2023, 42-S 2702-3). Demzufolge stellt die auf die Finanzierung der privaten Lebensführung gerichtete Leistung mangels hinreichenden Zusammenhangs zum genossenschaftlichen Geschäftsbetrieb eine (verdeckte) Gewinnausschüttung ("vGA") dar, sodass ein Betriebsausgabenabzug verwehrt wird. Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg (v. 15.01.2025 - 11 K 11042/24; Entscheidung über Nichtzulassungsbeschwerde ausstehend) hat diese Auffassung jüngst bestätigt und konkretisiert:

"Vielmehr dient das Unternehmen (…) der Mittelbeschaffung zur Finanzierung der privaten Aufwendungen der ordentlichen Mitglieder […]. Eine solche Überschussverteilung ist nach der gesetzgeberischen Konzeption der Einkommensermittlung gerade nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen […], sondern stellt einen typischen Fall einer Gewinnausschüttung, die verdeckt erfolgt, dar. Die Befriedigung persönlicher Bedürfnisse kann keine ertragsteuerlichen Auswirkungen haben. Denn durch das Rechtsinstitut der verdeckten Gewinnausschüttung soll gerade die Verlagerung privater Aufwendungen in die betriebliche Sphäre verhindert werden […].

" Demnach ist die steuerwirksame Verwendung von Erträgen aus dem Geschäftsbetrieb der Genossenschaft für private Aufwendungen der Mitglieder ausgeschlossen, weil private Aufwendungen (z.B. Familienurlaube) grundsätzlich gerade nicht den (wirtschaftlichen) Geschäftszweck der Genossenschaft fördern. Die Förderung der privaten sozialen und kulturellen Belange der Mitglieder berechtigt die Genossenschaft nicht zum Betriebsausgabenabzug.

Es ist jedoch bemerkenswert, dass das Finanzgericht die Frage offen lässt, ob sich aus dem von der Klägerin "geschaffenen Konstrukt zur steuerlichen Geltendmachung privater Aufwendungen sonstige außersteuerliche Konsequenzen ergeben. Diese Beurteilung und die damit verbundenen Ermittlungen liegen außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des erkennenden Senats. Ein deutlicherer Verweis auf strafrechtliche Konsequenzen ist kaum möglich.

Steuerstrafrechtliche Einschätzung

Die Grenzen zulässiger steuerlicher Gestaltung stellen ein Dauerthema des Steuerstrafrechts dar. Zwar hat der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs mit einer Entscheidung aus dem Jahr 1999 klargestellt, dass es einem Steuerpflichtigen im Grundsatz frei steht, "jeweils die ihm günstigste steuerrechtliche Gestaltung zu wählen". Jedoch begeht ein Steuerpflichtiger eine Steuerhinterziehung, wenn er von der Rechtsprechung oder den Richtlinien der Finanzverwaltung abweicht, ohne in seiner Steuererklärung auf die Abweichung hinzuweisen bzw. die steuererheblichen Tatsachen dem Finanzamt mitzuteilen. Spätestens mit dem Erlass des Finanzministeriums Sachsen-Anhalt und der jüngsten Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg besteht in vergleichbaren Fallkonstellationen eine Offenlegungspflicht, wenn Steuerpflichtige ein Strafrisiko vermeiden wollen.

Es ist jedoch zu beachten, dass auch die Vergangenheit Risiken bergen kann. Die Klarheit der Entscheidungsgründe des FG Berlin-Brandenburg und der Hinweis des Gerichts werden Steuerfahndungsämter dazu veranlassen, die verdeckte Gewinnausschüttung auch strafrechtlich zu verfolgen, sofern sie das Gesamtkonstrukt der Familiengenossenschaften als Steuerhinterziehungsmodell qualifizieren und damit in eine Riege mit "Cum-Ex-Gestaltungen" stellen. Es ist daher dringend geraten, das Finanzamt nachträglich in der Weise über die steuerliche Vergangenheit in Kenntnis zu setzen, dass die Erklärung nötigenfalls als steuerstrafrechtliche Selbstanzeige gemäß § 371 AO gewertet werden kann.

Diese Webseite verwendet nur technisch notwendige und funktionale Cookies, welche zum einwandfreien Betrieb dieser Website notwendig sind.
Mit der Nutzung dieser Website stimmen Sie der Verwendung dieser Cookies zu. Datenschutzinformationen