10. Okt 2018
Gemäß der bisherigen Rechtsprechung ging der Gerichtshof der Europäischen Union von einem vollen Vorsteuerabzugsrecht einer Holdinggesellschaft aus, wenn diese aktiv in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaft eingreift und dadurch steuerpflichtige Umsätze erbringt.
Das Urteil des EuGH vom 05.07.2018 – Rs. C-320/17 – Marle Participations, stellt eine Fortsetzung der Rechtsprechung des EuGH in verbundenen früheren Rechtssachen Larentia + Minerva und Marenave dar. Der EuGH gelangt zu dem Ergebnis, dass entgeltliche und steuerpflichtige Vermietungsleistungen, welche eine Holdinggesellschaft an ihre Tochtergesellschaften erbringt, Eingriffe in deren Verwaltung darstellen. Dadurch sind diese als wirtschaftliche Tätigkeit zu betrachten und die Holdinggesellschaft ist deshalb grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Informationen zum Verfahren vor dem EuGH.
Klägerin war eine Holdinggesellschaft. Deren Gesellschaftszweck bestand in der Verwaltung von Anteilen an mehreren Tochtergesellschaften des Konzerns. Darüber hinaus vermietete die Holdinggesellschaft den Tochtergesellschaften noch eine Immobilie. Die Holdinggesellschaft (Klägerin) veräußerte und erwarb im Rahmen einer Umstrukturierung Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften. Die Vorsteuer aus den verschiedenen Kosten im Zusammenhang mit dieser Umstrukturierung wurde vollständig geltend gemacht. Diesen Vorsteuerabzug stellte die Finanzverwaltung mit der Begründung in Frage, es habe sich um Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen gehandelt.
So hat der EuGH entschieden.
Laut Urteil des EuGH stellt die Vermietung durch eine Holdinggesellschaft an ihre Tochtergesellschaft eine wirtschaftliche Tätigkeit dar, was deshalb zum Vorsteuerabzug berechtigt. Bedingung ist, dass die nachhaltige Vermietung entgeltlich erbracht wird und umsatzsteuerpflichtig ist. Die Holdinggesellschaft ist daher grundsätzlich vollumfänglich zum Vorsteuerabzug berechtigt. Es bestünde jedoch nur ein anteiliges Vorsteuerabzugsrecht, wenn die Holdinggesellschaft lediglich in die Verwaltung einiger ihrer Tochtergesellschaften eingreifen würde.
Nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie erstreckt sich die Begrifflichkeit „wirtschaftliche Tätigkeit“ auf einen großen Anwendungsbereich. Diese beinhaltet alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden. Nicht als wirtschaftliche Tätigkeit wird der bloße Erwerb und das bloße Halten von Gesellschaftsanteilen angesehen. Anderes gilt, wenn das Halten der Beteiligungen mit unmittelbaren oder mittelbaren Eingriffen in die Verwaltung der Tochtergesellschaften einhergeht.
In seinem Urteil stellt der EuGH nun klar, dass die Eingriffe in die Verwaltung nicht nur auf unternehmerische Zentralfunktionen wie das Erbringen von administrativen, buchführerischen, finanziellen, kaufmännischen, der Informatik zuzuordnenden und technischen Dienstleistungen der Holdinggesellschaft für ihre Tochtergesellschaften beschränkt sind. Und somit stellt die Vermietung eines Gebäudes durch eine Holdinggesellschaft an ihre Tochtergesellschaft einen Eingriff in deren Verwaltung dar, was als wirtschaftliche Tätigkeit zu betrachten ist.
Für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug ist über eine entgeltliche und nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit hinaus erforderlich, dass diese Tätigkeit der Umsatzsteuer unterliegt. Bei einer Vermietung von Gebäuden bedarf dies einer wirksamen Option zur Umsatzsteuerpflicht.
Gemäß Feststellung des EuGH kommt es für die Gewährung des Vorsteuerabzugs nicht auf das wirtschaftliche Ergebnis des Unternehmens an. Und damit kommt ein Vorsteuerabzug selbst dann in Betracht, wenn ein Unterschied zwischen empfangenen Dienstleistungen und Dienstleistungen an die Tochtergesellschaften besteht.
Betrachtung und Schlussfolgerung
Zunächst ist es begrüßenswert, dass der Europäische Gerichtshof nun klarstellt, dass bereits umsatzsteuerpflichtige Vermietungsleistungen an Tochtergesellschaften ausreichen, um eine wirtschaftliche Tätigkeit zu begründen, was ein Vorsteuerabzugsrecht nach sich zieht. Für die Reichweite des Vorsteuerabzugs kommt es dabei nicht auf den Umfang der steuerpflichtigen Leistungen an die Tochtergesellschaft an, wie der EuGH weiter ausführt.
Die Situation, wie eine Vorsteueraufteilung vorzunehmen ist, wenn die Holdinggesellschaft nur steuerpflichtige Umsätze durch den Eingriff in die Verwaltung einiger, jedoch nicht aller Tochtergesellschaften erbringt, wird in dieser Urteilsbegründung jedoch weiter offen gelassen.
Links mit Informationen zu diesem Thema:
EuGH, Urteil vom 05.07.2018 – Rs. C-320/17 – Marle Participations
EuGH, Urteil vom 16.07.2015 – Rs. C-108/14 und C-109/14 – Larentia + Minerva und Marenave